Es ist unausweichlich - Wer auf unbefestigten Wegen unterwegs ist, fährt sich auch mit dem offroad-tauglichsten Gefährt irgendwann mal fest. Sei es auf Grund von Witterung, Fehleinschätzung oder Fahrfehlern. Das Wichtigste ist dann einen kühlen Kopf zu bewahren und sich einen Plan zu machen. Unvorsichtiger Aktionismus kann hier schnell gefährlich werden.
Bevor du dich überhaupt das erste Mal ins Gelände begibst solltest du dir schonmal Gedanken gemacht haben, welche Ausrüstung du im Fall der Fälle benötigen wirst und welche Lasten beim Bergemanöver auftreten können. Da dieses Thema sehr umfangreich ist und ich dir in diesem Beitrag nur die Basics an die Hand geben kann empfehle ich dir in jedem Fall mal in dem Buch "Festgefahren, was nun?*" zu schmökern und dies im Gelände immer dabei zu haben.
Eine solide Basis an Bergezeug, welche dir in den meisten Fällen reichen wird sind:
> Je nach Antriebsart 2 bzw. 4 Sandbretter*,
> ein Spaten*,
> ein Kompressor - Mit gesenktem Reifendruck hast du auf schwierigen Passagen besseren Grip und beugst so einem Bergemanöver vor
> Zwei Schäkel und ein kinetischen Bergegurt - Beachte bei den Schäkeln und dem Bergegurt, dass sie für dein Fahrzeuggewicht ausgelegt sind!
> Für´s grobe Gelände ist auch ein Reifenreparatur-Set hilfreich, denn auch die härtesten Offroader sind nicht vor Plattfüßen gefeit.
Da hier den individuellen Bedürfnissen und Philosophien keine Grenzen gesetzt sind möchte ich dir beispielhaft mein Bergezeug vorstellen.
Als Herzstück zur Selbstbergung verwende ich einen Hi-Lift, da mir persönlich eine Winde, die sich an der Front und am Heck bedienen lässt schlicht zu teuer war. Ein Hi-Lift ist ein allseits beliebter ein Offroadwagenheber mit solider Mechanik. Es gibt ihn in verschiedenen Ausführungen. Ich habe mich für den XT-605 entschieden, da dieser durch die lange Hubstange und der Ausstattung ein prädestinierter Ersatz für eine Winde ist. In Kombination mit den Bergeschäkeln von Relleum-Design und langen Bergegurten hast du einen ähnlichen Arbeitsradius wie mit einer konventionellen Winde. Zum Fixieren am Ankerpunkt benötigst du außerdem noch einen Baumgurt und entsprechende Schäkel.
Wie auch alle anderen Bergemethoden ist der Hi-Lift nicht ganz ungefährlich und du solltest dich vor dem ersten Einsatz im Gelände mit deinen Gerätschaften vertraut machen. In meinem Set zur Selbstbergung ist der Hi-Lift mit Absicht das schwächste Glied. Wird die Last während des Bergemanövers zu hoch bricht ein Sicherheitsscherstift und der Aufbau gibt maximal die Länge der Hubstange nach. Somit habe ich keine potenziell fliegenden Geschosse, wie es dir unter Umständen beim Winschen passieren kann.
Eine genaue Übersicht meines Bergezeugs findest du nochmal auf meiner Ausrüstungsseite. In meinem Abenteuer-Logbuch siehst du mein Bergezeug nochmal in Aktion.
Möchtest du dir dein eigenes Set zusammen stellen, musst du dich auf jeden Fall mit dem Thema Arbeits- u. Bruchlasten beschäftigen und sinnvolle Reserven entsprechend deines Fahrzeugs berechnen.
Die Arbeitslast (auch WLL für Working Load Limit) ist der entscheidende Wert für deine Ausrüstung. Dieser Wert ist auf professionellen Produkten auch immer angegeben. Die teilweise mit Bruchlasten beworbenen Produkte klingen natürlich viel besser, da der Wert um einiges höher liegt, haben aber einen ganz anderen Hintergrund und sind für uns nicht relevant. Das Working Load Limit deines Bergematerials sollte immer oberhalb des Fahrzeuggewichtes liegen, da bei überschreiten mit dauerhaften Schäden und Materialversagen zu rechnen ist. Für Bergemittel haben sich fünf Leitlinien zur Berechnung der Sicherheitsreserven etabliert:
Bedenke: Deinem Handeln in deiner Freizeit unterliegt keinen Normen, Vorgaben oder sonstigen Regulierungen. Welcher Gefahr du dich aussetzt liegt also in deinem Ermessen.
Wenn es denn eines Tages tatsächlich soweit ist, dass du dich fest gefahren hast und ein Bergemanöver unausweichlich ist, dann achte immer darauf, dass sämtliche Bergemittel im einwandfreien Zustand sind! Verknotete Seile, aufgerissene Gurte, Schäkel zweifelhafter Herkunft, Drahtseile mit gebrochenen Litzen sind enorm gefährlich. Beispielsweise verlieren verknotete Gurte und oberflächlich angescheuertes Seile bis zu 50% ihrer Bruchlast. Wenn du die auftretenden Lasten unterschätzt können hier schnell tödliche Geschosse entstehen.
Die einfachste und wohl bekannteste aller Bergevarianten ist die Zuhilfenahme eines zweiten Fahrzeugs. Doch auch hier gilt es einige wichtige Grundsätze zu beachten. Zum Beispiel solltest du nicht die serienmäße Abschleppöse oder deine Anhängerkupplung benutzen, wenn du bis zu den Knien im Schlamm steckst. Beide Anschlagpunkte sind für die Offroadbergung völlig ungeeignet und bürgen große Gefahren, da sie für die auftretenden Lasten nicht ausgelegt sind und nachgeben können. Im besten Fall hält deine Abschleppöse und du verziehst dir die Karosserie, da du sie nur einseitig belastest. Ein weiterer gängiger Fehler ist das Bergen im Rückwärtsgang. Na klar bietet es sich an, da sich der Havarierte und der Helfende sehen können. Allerdings ist dein Getriebe nicht dafür konstruiert worden im Rückwärtsgang schwere Lasten anzuziehen.
Entscheidend für eine erfolgreiche Bergung aus kniffligen Untergründen ist die Kraft, die das Zugfahrzeug auf den Boden bringt. Für die Pkw-Klasse bieten sich hier insbesondere kinetische Bergegurte an, da man mit diesen mehr als das Eigengewicht des Zugfahrzeugs als Zugkraft entwickeln kann. Als Beispiel: Ein Pickup mit 2,4t Eigengewicht schafft mit einem starren Gurt etwa 1,4t Zugkraft zu auf den Boden zu bringen. Mit einem kinetischen Bergegurt liegt die maximale Zugkraft schon bei 2,5t. Natürlich sollten die Anschlagpunkte am havarierten Fahrzeug auch für solche Lasten ausgelegt sein, aber das weißt du ja schon. ;)
Das ultimative Allheilmittel unter den Offroadern - Die Seilwinde. Kein Wunder: Sie ist schnell einsatzbereit, hat in der Regel Unmengen an Kraft und ist sauber verstaut, wenn man sie nicht braucht. Doch gibt es auch Nachteile? Zum einen wären da die relativ hohen Anschaffungskosten, die Umbaumaßnahmen am Fahrzeug und schließlich die Hürden der Eintragung. Zum anderen, für mich fast noch schwerwiegender, ist der Montageort und die damit verbundene Nutzbarkeit der Seilwinde. Meist werden Seilwinden in der Frontstoßstange montiert. Somit kann man sich also nicht rückwärts aus seiner Misere ziehen und hat einige zusätzliche Kilo auf der Vorderachse.
Vereinfacht gesagt handelt es ich bei einer Spillwinde um eine Motorkettensäge mit einer Trommel anstatt der Sägeschiene. Der große Vorteil: Mit einer Spillwinde kannst du eine unbegrenzte Länge deines Bergeseils durchziehen. Dadurch kannst mit mehreren Umlenkungen arbeiten und eine sehr hohe Zugkraft aufbauen. Allerdings bedarf es bei diesem Gerät auch einiges an Übung für einen sicheren Umgang.
Hi-Lift
Praktisches Werkzeug mit potenziell hoher Verletzungsgefahr durch die Hebelstange. Wenn du dich allerdings mit der Funktionsweise vertraut machst, weißt du auch, wann du sie auf keinen Fall los lassen darfst. Außerdem sehe beim Hi-Lift auch einen großen Vorteil: Wird die Last während des Bergemanövers zu hoch, so bricht im schlimmsten Fall der Sicherheitsscherstift und der Aufbau gibt maximal die Länge der Hubstange nach. Damit hast du keine potenziell fliegenden Geschosse.
Groß, schwer, unhandlich. Ein Greif- bzw. Seilzug funktioniert ähnlich wie der Hi-Lift. Nur gibt es hier keinen Schlitten, der am Ende der Hubstange immer wieder nachgesetzt werden muss sondern ein langes Drahtseil. Die Handhabung ist dadurch etwas komfortabler die Kraft die aufwendet werden muss allerdings wesentlich höher. Hinzu kommt unter Umständen auch ein Gesamtgewicht von 50kg. In Anbetracht dessen, dass ein Seilzug auch nur für diese eine Aufgabe geeignet und recht teuer ist, finde ich sie als Alternative eher unattraktiv.
Was ist also das richtige Werkzeug für dich? Wie eingangs schon erwähnt gibt es viele Ansätze die zum Ziel führen und jede Methode bringt ihre Vor- u. Nachteile mit sich. Mach dir also Gedanken mit welchen Eigenheiten du leben kannst. Sollte es für dich klar sein, dass deine Bergehilfe nicht nur ein cooles Gadget ist, solltest du auf jeden Fall nicht am falschen Ende sparen!
Stress, Hektik und Adrenalin - All das sind sehr schlechte Begleiter. Wenn du dich festgefahren hast atme tief durch und trinke am besten erstmal einen Kaffee. Plane dein Vorgehen sorgfältig und habe stets die Gefahren im Hinterkopf!
> Richte einen Sperrkreis für umstehende Personen ein: Bilde einen Halbkreis mit deinem eingesetzten Seil bzw. Gurt in Bergerichtung. Benutzt du elastische Bergegurte erweitere diesen Radius um 50%.
> Kontrolliere deine Bergemittel wie oben schon beschrieben auf Beschädigungen und Verschleiß
> Achte auf die richtige Anwendung der Bergemittel: Schäkel sind nicht quer zu verwenden, alle Haken sollten nach Möglichkeit verriegelt sein und es dürfen keines falls Knoten in Seilen und Gurten sein!
> Schütze alle beteiligten Personen vor eventuell herum fliegenden Teilen: Mach beispielsweise die Motorhaube auf und decke alle metallischen Bergemittel ab, damit sie im Zweifelsfall schnell zu Boden fallen.
Immer wenn du andere Personen mit einbeziehst solltest du außerdem ein besonderes Augenmerk auf die Kommunikation legen. Dies kann insbesondere schwierig werden, wenn du im Ausland unterwegs bist und dein Helfer eine andere Sprache spricht. Grundsätzlich gilt: Entscheidungen trifft der Fahrer, dessen Fahrzeug havariert ist. Vereinbare von Beginn an eindeutige Handzeichen oder Hupsignale (kurz Hupen: los, lange Hupen: halt, Lichthupe: Seil straff). Alternativ sind auch Handsprechfunkgeräte* für die Kommunikation während des Bergemanöver sehr hilfreich.